Sebastian Canaves und Line Dubois vom Reiseblog Off the Path lieben das Abenteuer – und genussvolles Reisen. Für uns waren die beiden ganz entspannt und mit wenig Gepäck auf Österreichs schönsten Genussradwegen unterwegs. Hier erzählen sie von ihren Erlebnissen
Die untergehende Sonne spiegelt sich in vielerlei Orangetönen im Wasser des Mondsees. Vor uns ragt die fast 1200 Meter hohe Drachenwand eindrucksvoll inmitten der Salzkammergut-Berge empor. Was für eine Kulisse! Und sie ist nur ein Vorbote dessen, was uns in den nächsten Wochen beim Genussradeln erwartet: das gigantische Gipfelpanorama der Alpen, idyllische Flusstäler, blühende Wiesen- und sanfthügelige Weinlandschaften. Wir testen verschiedene Radwege jeweils für ein paar Tage und fahren zwischendurch mit dem Zug zum nächsten Startpunkt. Und obwohl wir ein dicht gedrängtes Programm haben, erleben wir in Österreich immer wieder ein Freiheitsgefühl, das wir so nur auf dem Sattel unserer Räder finden. Wir sind wie so oft mit ganz wenig Gepäck unterwegs und genießen es, mit allem, was uns begegnet, auf Augenhöhe zu sein. Neugierig, abenteuerlustig, minimalistisch, die Sinne weit geöffnet. So erleben wir die meisten Genussmomente.
Wie zum Beispiel heute Mittag: Direkt neben dem Radweg steht am Traunsee eine Steckerlfisch-Bude, die uns gestern der Hotelwirt wärmstens empfohlen hat. Sie soll eine der besten sein, wenn man diese regionale Köstlichkeit probieren möchte – und das wollen wir natürlich unbedingt. Wir werden nicht enttäuscht: Der knusprig gegrillte Fisch schmeckt einfach hervorragend. Wie schön, denken wir beide, dass man hier in Österreich beim Genussradeln kaum Proviant mitnehmen muss, weil es fast auf allen Strecken auf Schritt und Tritt sehr gute Einkehrmöglichkeiten gibt. Das Schnitzel, das wir viele Tage später kurz vor der slowenischen Grenze in Bad Radkersburg essen, ist nämlich ebenso knusprig wie der Steckerlfisch. Aber stopp: Bis ganz hinunter in den südstlichen Zipfel des Landes sind es noch viele Kilometer – und unzählige Genussmomente zwischendurch.
Mittlerweile sind wir in der Steiermark und radeln auf dem wildromantischen Murradweg entlang eines wirklich wilden und ursprünglichen Flusslaufs. Diese einzigartige Auenlandschaft wurde 2019 von der UNESCO zum Biosphärenpark erklärt. Gemeinsam mit den Flussauen von Drau und Donau gelten die Mur-Auen nämlich als der Amazonas Europas. Seit 2021 gehört das Untere Murtal sogar zum weltweit ersten 5-Länder-Biosphärenpark. Entlang der Flüsse Mur, Drau und Donau entstand so Europas größtes Flussschutzgebiet. Die 930.000 Hektar große Region umfasst 13 einzelne Schutzgebiete und erstreckt sich von der südlichen Steiermark über Slowenien, Ungarn und Kroatien bis nach Serbien.
Wir begnügen uns erst einmal mit Österreich, radeln auch ein Stück entlang von Donau und Drau, um möglichst viel Abwechslung zu haben. Eine Radkarte oder Googlemaps brauchen wir eigentlich gar nicht, Österreichs Radwege sind fast durchweg gut ausgeschildert. An der Donau wollen wir uns das Wunder der Schlögener Schlinge anschauen, Europas größter Flussschlinge. Wir stellen unsere Räder ab und wandern die paar hundert Meter zu Fuß hoch zum Aussichtspunkt Schlögener Donaublick. Die sommerliche Abendsonne sorgt für eine romantische Stimmung, wir sind froh, dass wir so viele unvergessliche Momente miteinander erleben. Und tatsächlich ist der Blick von hier oben auf die sich anmutig windende Donau einfach grandios. Österreich hat eben nicht nur tolle Berge, sondern auch wunderschöne Flusstäler, die einfach perfekt fürs Genussradeln sind.
Etwa 150 Kilometer weiter flussabwärts wandelt sich die Landschaft, romantisch bleibt es aber auch hier in der niederösterreichischen Wachau: Inmitten von Rebhügeln übernachten wir auf einem kleinen Weingut und lassen es uns bei einem Glas Wein und einer Jausenplatte in einem typischen Heurigen gutgehen. Auch rund um den Neusiedler See im Burgenland steigen wir hier und da von unseren Rädern, um uns in Buschenschenken zu stärken. Die Region lässt sich nämlich ganz bequem mit dem Rad erkunden. Wir wagen uns sogar in die Hölle, ein Teilgebiet des Nationalparks Neusiedler See – Seewinkel. Vom dortigen Aussichtsturm blicken wir über den einzigen Steppensee des Landes und sind beeindruckt: Der Blick reicht weit über den See, der mit seinen Schilfufern Heimat vieler seltener Wasservögel ist.
Übrigens führt hier auch der Iron Curtain Trail entlang, bekannt als EuroVelo 13 (kurz EV13). Auf ihm radelt man immer entlang der Grenze des ehemaligen Eisernen Vorhangs, zunächst durch Niederösterreich und anschließend durchs Burgenland. Dieser gut ausgeschilderte Radweg ist genau der Richtige für alle, die sich für die Spuren der Geschichte interessieren, aber nicht auf Genuss verzichten möchten. Denn mit circa 13.000 Hektar ist das niederösterreichische Weinviertel, durch das die Strecke führt, das größte Weinbaugebiet Österreichs: Kellergassen, Heurige und Buschenschenken laden immer wieder zu einer Pause vom Radfahren ein. Wir machen zudem Halt an der Aussichtsplattform „Weinblick“ in der Weinidylle, dem wiederum kleinsten Anbaugebiet im Burgenland. Malerische Rebhügel und hübsche Kellerstöckl verschwinden mehr und mehr in der Weite der pannonischen Tiefebene.
Es wird wieder mal Zeit für einen schnellen Ortswechsel: Statt mit einer schier endlosen Landschaft begrüßt uns Tirol Tage später mit mächtigen Bergmassiven. Und mit Speckknödeln. Denn wer viel radelt, der darf auch viel essen – oder nicht? Und egal wo wir einkehren, wir werden freundlich empfangen. Denn auch das haben die Österreicher:innen wirklich drauf: herzliche Gastfreundschaft. Abends erwarten uns gemütliche Unterkünfte, die wir zur Sicherheit vorgebucht haben. Nicht nur wir, auch unsere Räder werden gut umsorgt, für sie gibt es immer einen sicheren Parkplatz. Überall kommen wir leicht ins Gespräch, werden nach unserer Tour gefragt und mit vielen Tipps versorgt.
Beschwingt radeln wir weiter, diesmal entlang des Tauernradweges. Nicht zu Unrecht gilt diese 310 Kilometer lange Strecke als eine der schönsten und landschaftlich vielfältigsten in Europa. Ein Teilabschnitt führt uns am Rande des Nationalparks Hohe Tauern entlang: Er ist der älteste und größte Nationalpark Österreichs und außerdem steht hier der 3.798 Meter hohe Großglockner, der höchste Gipfel des Landes. Einen Superlativ hätten wir jetzt noch fast vergessen: die Krimmler Wasserfälle. Mit 385 Metern sind sie Österreichs höchste Wasserfälle. Wir schließen unsere Räder ab und ziehen uns ausnahmsweise mal unsere Regenjacken an. Die Wassermassen sorgen nämlich für ordentlich Sprühnebel. Und für nasse Beine.
Was unsere Beine angeht, so gönnen wir uns zwischendurch immer mal wieder einen Ruhetag. Auch, damit die Kultur nicht zu kurz kommt. Denn Städte wie Linz, Graz, Innsbruck oder Salzburg liegen jeweils quasi an der Strecke. Und zwischendurch tut’s gut, durch Gassen zu bummeln und das eine oder andere Museum zu besuchen. In Salzburg startete unsere Radreise durch Österreich – und hier endet sie nun auch. Und während wir so durch die Getreidegasse schlendern und nach einem gemütlichen Café Ausschau halten, planen wir bereits unsere nächste Radreise durch Österreich.
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